https://www.businessinsider.de/gruender ... olvenz-an/Rund 16 Millionen haben Investoren in das Startup gesteckt, das eine umfassende Software für Arztpraxen entwickelt hat. Nun musste Doctorly den Gang zum Amtsgericht antreten.
Was bedeutet das?
Erst einmal scheint es weiter zu gehen. Auf der Website sieht alles aus wie bisher.
Aber es erinnert mich daran, dass ich schon immer mal warnen wollte vor Cloud-Anbietern. Nicht nur wegen Datenschutz, sondern wegen Daten überhaupt. Was passiert, wenn der Geschäftsbetrieb von heute auf morgen eingestellt werden muss, weil ein Rechenzentrum den Stecker zieht? Dazu schreibe ich die Tage noch etwas, auch zum Thema "Rettung durch den Staat".
In einer KBV-Statistik aus dem Jahre 2024 waren 38 Installationen vermerkt...
Gründung 2017, geplanter Marktstart aus rechtlichen Gründen von 2018 bis 2022 verschoben.
38 Installationen in gut zwei Jahren ist nicht viel.
-> Trotz "viel versprechender" Website mit assistierter Datenübernahme, 7 Sekunden bis zum Erreichen des Supports und so weiter.
16 Millionen € Kapital sind anscheinend nun verbraucht.
Umsatz? Keine Ahnung, kenne weder Preise noch Margen bei eventuellen Vertriebspartnerschaften wie TI-Krams.
Aber wenn ich mal großzügig 500 Euro pro Monat und Praxis rechne - eine sicherlich stolze, aber nicht realitätsfremde Summe -, dann sind das bestenfalls 19.000 Euro im Monat. Auf manchen Gruppenfotos sind 8 bis 12 Personen zu sehen.
->Unter 200.000 Euro Monatsumsatz stelle ich mir das nicht tragfähig vor, was bei großzügiger Schätzung dann 400 Praxen bedeutet. Also gut 10x die bisherige Nutzerbasis.
Wenn Doctolib (klingt ähnlich, ist aber nicht doctorly) ein Cloud-PVS baut, dann sicher mit ganz anderem Hintergrund und Absichten. Die stecken vielleicht auch 50 Millionen und mehr rein - haben nämlich alles, was eine eHealth-Datenkrake braucht.
CGM ONE ist auch als Cloud-PVS konzipiert? Uiii... CGM hat doch auch gerade einen Investor an Bord genommen.
Aber zurück zu doctorly:
Sicherlich werden in manchen Startups mehr Millionen rausgehauen, aber wie ist hier die Aussicht auf Rendite? An der Selbstdarstellung kann es nicht gelegen haben, denn die Website und das andere Drumherum sind mehr als vorbildlich ausgeführt. Das Produkt? Kenne ich nicht.
Das Risiko, dass jemand der Vordienstleister den Stecker zieht, ist im laufenden Insolvenzverfahren nicht ausgeschlossen. Sei es ein Rechenzentrum, ein Lizenzgeber für irgendwas, ein Entzug der Zulassung aus was für Gründen auch immer...
Aber im Gegensatz hat man bei lokale Datenhaltung mit klassischen PVS wie CGM ALBIS, TURBOMED, T2 und Co. sowie Hybriden wie DocCirrus* stets die Daten im Haus. Selbst wenn der Hersteller verschwindet, ist man zumindest nicht ganz nackt - im Idealfall kriegt man Export und Wechsel immer noch hin. Ist übrigens ein Grund mehr, auf eine funktionierende AWST oder wenigstens vollwertige BDT-Exportlösung zu pochen. TURBOMED hat zumindest letztere an Bord. Bei der AWST, die eigentlich verbindlich erforderlich sein soll, bekleckern die sich alle nicht mit Ruhm.
Aber Cloud?
- doctorly ist aktuell fraglich hinsichtlich der Zukunft. Wenn ein Investor kommt, der das übernimmt, dann vermutlich mit Blick auf die wertvollen Daten.
- Doctolib ist sicher massiver unterfüttert, aber meines Erachtens zu aggressiv in der Markteroberung - und bzgl. den meines Wissens etwas laxeren französischen Vorgaben zum Datenschutz bin ich sehr skeptisch.
- CGM ONE... Wie soll man da Vertrauen aufbauen angesichts der lokal arbeitenden PVS-Qualität (TURBOMED)? Angesichts der Konnektor-Firmware, die das Zertifikat mit einer uralten Browser-Version eher hergibt als mit einem aktuell gehaltenen Chrome/Firefox?
Verspäteter Aprilscherz-Vorschlag: Warum übernimmt CGM nicht doctorly? Könnte gerade recht preiswert zu kriegen sein...
- RED medical? Da kann ich nur auf Basis individueller Erfahrungen mit der TI-Sparte ganz vorsichtig, aber wirklich noch sehr wohlwollend, "viel Glück" wünschen. Was das PVS angeht, hat man rechtzeitig vor meinen Migrationsplänen (zwei größere Praxen) die Preisstruktur derart verändert, dass es komplett aus der Kandidatenliste gefallen ist, weil noch teurer als DocCirrus inSuite. Aber gut, andererseits sichert eine brauchbare Preisstruktur auch die finanzielle Stabilität.
- DocCirrus inSuite als Hybrid: Lokale Datenhaltung. Es ist quasi ein Cloud-System, bei dem die "Cloud" lokal steht. Externe Anbindungen sind nette Features per Gateway, aber nicht zwingend erforderlich. Sieht halt nach Cloud aus, weil browserbasiert. Kann vieles, für Hausarzt vielleicht nicht "fully featured" (Stand 2022, kann heute anders sein), kostet gut Geld. Dafür aber für Win/Mac/Linux etc. kompatibel.
Haben aber auch gut 20 Mio. Verlust gesammelt seit 2015: https://www.northdata.de/Doc%20Cirrus%2 ... 144219%20B - Ist aber lächerlich im Vergleich zur sich beteiligenden Alanta...
Und dann war doch noch ein zentralisiertes PVS in der Diskussion, bei dem man sich in die fertige Praxis einmietet oder einleast? Irgendwo hier wurde mal drüber gesprochen...

In der Gesamtbetrachtung kann ich nur zur lokalen Datenhaltung raten. Klar gehören dann Server mit Backup und Co. zum Alltag. Aber Cloud ohne lokales Backup kann auch von heute auf morgen einen Totalverlust samt Haftung bedeuten.