Offener Brief von Hausarztquovadis an die KV

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Geigenberger
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Offener Brief von Hausarztquovadis an die KV

Beitrag von Geigenberger »

An den Vorstand der
Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns
Elsenheimerstr. 39
80687 München

Nachrichtlich an: Staatsminister Dr. Marcel Huber, Bayer. Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
alle Landtagsabgeordneten, Bürgermeister der kreisfreien Städte und Landräte Bayerns

Grünenbach, Kronach, Berching, den 23.03.2012

Sehr geehrter Herr Kollege Krombholz, sehr geehrter Herr Kollege Schmelz, sehr geehrte Frau Kollegin Enger!

Beginnend mit der Übernahme des bundesweiten Vertrages zur HzV (Hausarzt-zentrierten Versorgung) mit der Techniker Krankenkasse im Juli 2011 hat der Bayerische Hausärzteverband (BHÄV) in den vergangenen Monaten einen weiteren Vertrag nach Paragraph 73b SGB V mit den Betriebskrankenkassen geschlossen und bezüglich der Ersatzkassen sowie der Allgemeinen Ortskrankenkasse Bayern die jeweiligen Vertrags-Schiedssprüche akzeptiert.

Auf Grund der massenhaften Austritte aus dem BHÄV im vergangenen Jahr war bereits anzunehmen, dass dessen Mandatierung zum Abschluss von Verträgen nach Paragraph 73b SGB V erloschen sei. Das Ergebnis der von Hausarztquovadis zwischen Januar und März 2012 durchgeführten Umfrage - die Auswertung liegt unserem offenen Brief bei - belegt nun, dass der BHÄV noch bestenfalls ein Drittel der bayerischen Hausärzte vertritt und das gesetzlich geforderte Quorum an Hausärzten/-innen nicht mehr erreicht. Insofern sind die genannten Verträge unter Bruch geltenden Rechts zustande gekommen.

Neben der offenkundig fehlenden Legitimation des BHÄV belegt das Ergebnis der Umfrage auch, dass eine überwältigende Mehrheit der bayerischen Kollegenschaft die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) als Dienstleister für HzV-Verträge wünscht. Dies und die Abkehr von BHÄV impliziert, dass dieselbe Mehrheit von der KVB, die ja satzungsgemäß die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten hat, zu Recht mehr und nachvollziehbare Aktivitäten für die Sicherung ihrer Praxen und damit die Sicherstellung der hausärztlichen Betreuung der bayerischen Bevölkerung erwartet.

Letztere ist einerseits durch den Flickenteppich der durch den BHÄV geschlossenen Verträge gefährdet - es wird unverblümt kommuniziert, dass es sich nur "lohnt", bestimmte Patientengruppen, teilweise sogar nur Gesunde, in diese Verträge einzuschreiben -, andererseits sollen minimale Zusatzvergütungen für die Hausärzte durch weitere Einsparungen an den Patienten realisiert werden. Dies ist zum einen nicht möglich, zum anderen steht es in krassem Gegensatz zu den Vorstellungen der Bevölkerung, die mehrheitlich eine Beibehaltung oder sogar Ausweitung des Leistungsumfangs der GKV befürwortet - wie zuletzt die Umfragen von Emnid und Forsa bezüglich der hohen Überschüsse der gesetzlichen Krankenkassen belegen.

Mit den genannten Verträgen ist somit weder eine einheitliche hausärztliche Versorgung der bayerischen Bürger/-innen gewährleistet, noch wird damit die mit Ausnahme des Jahres 2010 bestehende 30%ige Unterfinanzierung der ambulanten Versorgung beseitigt. In den vergangenen Monaten ist in der bayerischen Hausärzteschaft deshalb stetig die Sorge und zuletzt auch die Erkenntnis gewachsen, dass nur im Kollektivvertragssystem die grundsätzliche Forderung nach einem weitestgehend einheitlichen Vertrag für alle Patienten, über alle Kassenarten hinweg, bürokratiearm und vor allem frei von Drittinteressen, durchsetzbar ist.

Wir rufen Sie deshalb im Namen der Mehrheit der bayerischen Hausärzteschaft als Vorstand der Kas-senärztlichen Vereinigung Bayerns und unsere Interessenvertretung auf:


Wirken Sie an dem gewünschten Politikwechsel aktiv mit und geben Sie uns verbindliche Antworten auf folgende Fragen:


*** Welche konkreten Maßnahmen gedenkt die KVB in nächster Zeit zu ergreifen, um die ökonomischen und organisatorischen Rahmenbedingungen der Hausarztpraxen zu verbessern und dadurch die hausärztliche Arbeit in eigener Praxis auch für junge Kolleginnen und Kollegen wieder attraktiv zu machen?

*** Gedenken Sie, die Forderung nach einem Punktwert von 5,1 Cent wieder aufzunehmen, wie das andere Kassenärztliche Vereinigungen bereits tun? Wann und mit welchen Mitteln soll dies geschehen?

*** Bemühen Sie sich Ihrerseits, mit den Krankenkassen Add-On-Verträge analog den Hausarztverträgen der KVB mit der LKK und den BKK zu Gunsten der Mehrheit der Ärzte, die wegen ihrer grundsätzlichen Bedenken nicht an den Verträgen des BHÄV teilnehmen, auszuhandeln? Wie ist der diesbezügliche Sachstand?


Im Hinblick auf die anzunehmende Widerrechtlichkeit der HzV-Verträge des BHÄV haben wir folgende Fragen:


*** Wie lange gilt nach Ihrem Dafürhalten eine einmal erteilte Mandatierung im Sinne des § 73b SGB V? Stellt die seinerzeit dem BHÄV unter anderer Führung und in völlig anderer programmatischer Ausrichtung erteilte Mandatierung einen Freibrief dar, für unbegrenzte Zeit für die bayerische Hausärzteschaft Verträge nach § 73 b abzuschließen?

*** Gedenkt die KVB, ihrerseits die Mandatierungsfrage neu zu stellen? Haben Sie die Rechtsaufsicht im Bayerischen Gesundheitsministerium eingeschaltet, um der Rechtsnorm des SGB V in Sachen Mandatierung Geltung zu verschaffen?


Sollten die neuen HzV-Verträge trotz fehlender Mandatierung der einen Vertragspartei in Kraft treten, so generieren diese die Spaltung der bayerischen Hausärzteschaft in HzV- und Nicht-HzV-Ärzte und der bayerischen Patienten in HzV- und Nicht-HzV-Patienten (wobei selbst HzV-Ärzte nur einen Teil ihrer Patienten in die Verträge einschreiben werden). Dadurch entstehen zahlreiche Rechtsunsicherheiten bezüglich der Behandlungs- und Abrechnungsmodalitäten, die zu beseitigen dringendst geboten ist:


*** Nach welchen durchschau- und nachvollziehbaren Algorithmen wird die KVB die Honorar-Bereinigung bei selektiver Patienteneinschreibung durch HzV-Ärzte durchführen?

*** Wie verhält es sich mit Patienten, die sich, obwohl sie in HzV-Verträge eingeschrieben sind, im Vertretungsfall (also nicht im Notdienst oder im Notfall) an Nicht-HzV-Ärzte wenden? Können diese Patienten über den Kollektivvertrag abgerechnet werden? Wie stellen Sie sicher, dass die KVB diesen Teil der Bereinigungssumme von HzV-Patienten von der GKV oder vom BHÄV/der HÄVG zurückerhält?

*** Müssen sich die nicht an den HzV-Verträgen teilnehmenden Hausärzte in Zukunft vor Behandlung von Patienten im Vertretungsfall darüber Gewissheit verschaffen, ob die betreffenden Patienten in einen HzV-Vertrag eingeschrieben sind? Nach welchen objektivierbaren Kriterien soll dies Ihrer Meinung nach geschehen?

*** Wie gehen Sie gegen das rechtswidrige Vorgehen einzelner Krankenkassen vor, Patienten von Nicht-HzV-Ärzten zu HzV-Ärzten umzusteuern?

*** Wie stehen Sie zu der Tatsache, dass bei unterschiedlichen Kündigungsfristen der HzV-Verträge für Ärzte und Patienten (1 Vierteljahr gegen 1 Jahr) diejenigen Ärzte, die ins KV-System zurück-kehren wollen, in Nachteile gesetzt werden, nämlich Gefahr gehen, Ihre Nach-Wie-Vor-HzV-Patienten an einen HzV-Arzt abgeben zu müssen? Halten Sie die dadurch entstehende Verzerrung des Wettbewerbs für rechtskonform?


In den vergangenen Wochen sind wir von einigen hundert Kolleginnen und Kollegen aufgefordert worden, über die Information durch unsere Webseite hinaus für Sie tätig zu werden.

Es besteht in der bayerischen Hausärzteschaft die tiefe Sorge, dass durch die Vertragsabschlüsse des BHÄV und dessen unbelegte Behauptung, er würde hierbei die Mehrheit der bayerischen Hausärzte-schaft vertreten, den Bürgern Bayerns und Politikern Bayerns suggeriert wird, dass sich die Gefährdung der flächendeckenden hausärztlichen Versorgung verringert hätte und weiterer Handlungsbedarf nicht bestünde.

Dem Anliegen unserer Kolleginnen und Kollegen entsprechen wir mit diesem offenen Brief.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

gez. Dr. Karl Stuhler, Grünenbach gez. Dr. Matthias Weber, Kronach gez. Dr. Werner Robl, Berching

in Vertretung für diejenigen hausärztlichen Kolleginnen und Kollegen, welche dieses Schreiben unterstützen. Deren Liste können Sie in den folgenden Wochen untenstehend tagesaktuell entnehmen.
Johnny
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Re: Offener Brief von Hausarztquovadis an die KV

Beitrag von Johnny »

Lieber Kollege Geigenberger,


habe leider den link zur Quelle des obigen offenen Brief vermisst, so daß ich mir erlaube diesen hier http://hausarztquovadis.de/ einzufügen.

Mit besten Dank
und Gruß aus (dem kalten verregneten Karfreitag) Kiel

Johnny
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