Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Alles rund um das Thema Arztpraxis. Hier ist aber auch Platz für Belangloses, Nebensächliches und Politisches

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Geigenberger
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Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Ich bin äußerst skeptisch und ich fürchte sehr, dass dies misslingen wird!!

Ich fürchte weiterhin, dass sich damit Herr Hoppenthaller selbst abschießen und dann der Hausärzteverband 'führerlos' und bedeutungslos vor sich hindümpeln wird. Ich fürchte, wir werden ein grandioses Eigentor schießen!! Einen zweimaligen Mißerfolg in so einer wichtigen Angelegenheit kann wohl niemand schon aus persönlichen, und damit psychischen Gründen überstehen. Und die restliche Mannschaft des Hausärzteverbandes?? Naja - ich erkenne da so einige Kollegen, die früher einmal als eifrige Prüfärzte der KV die eigenen Kollegen in die Pfanne gehauen haben! Offenbar richten auch in diesem Verein viele ihr Fähnchen nach dem gerade wehenden Wind!!

Ich kann auch keinen Grund erkennen, warum wir in Bayern die Kastanien für das gesamte Bundesgebiet aus dem Feuer holen sollen! Unsere Verträge sind erstmal bis 2014 festgezurrt - und dann wird (dank der FDP!!) ein Regierungswechsel kommen - so sicher wie das Amen in der Kirche ( SPD, Die Linken und die Grünen haben derzeit fast eine Zweidrittel-Mehrheit). Dann werden die Karten so und so neu gemischt werden, ganz egal, was aktuell politisch durch uns bayerische Hausärzte durchgesetzt wird. Warum also jetzt schon dieser berufspolitische Kamikaze-Flug ??? Bis 2014 würde, wenn wir zum momentanen Zeitpunkt überhaupt nichts tun, in Bayern bei den bereits geschaffenen Fakten (Große Hochachtung vor Herrn Hoppenthaller!!) die Zeit für uns arbeiten!

Was meine persönliche Situation betrifft: Es gibt immer Kollegen - zumindest besteht die Angst davor, die nur darauf warten, die eigene Praxis zu 'übernehmen'. Und so kann man seinen Ausstieg aus dem System überhaupt nicht unterschreiben, wenn keine hundertprozentige (100% !!!!) Sicherheit besteht, dass alle Nachbarkollegen auch aussteigen!!! Und wie sollen wir diese Sicherheit bekommen? Man bedenke bitte: Viele Kolleg(inn)en hatten schon Probleme mit der Konkurrenzsituation, als wir nur 2 Tage heuer im August die Praxis zusperrten und waren in Sorge, dass andere Kollegen Patienten abwerben. Die geplanten Maßnahmen im Januar haben aber eine ganz andere Dimension!! Da geht es um die berufliche Existenz einiger Kollegen und nicht nur um ein paar abgeworbene Patienten.

Ich bin nun gespannt, wie die weitere Diskussion in den nächsten Wochen laufen wird.

Schönen Sonntag noch!

Alfons Geigenberger
danspie
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von danspie »

Sehr geehrter Herr Geigenberger,
bezüglich des Ausstiegs kann ich Ihnen nur teilweise Recht geben. Das Problem, die Kollegen zum Handeln zu bekommen sehe ich ebenfalls und habe meine massiven Zweifel, das hin zu bekommen. Allerdings ist es leider nicht so, dass die Verträge nicht festgezurrt sind: die AOK wird, was sie ja jetzt schon beginnt, die Patienten immer häufiger aus fadenscheinigen Gründen auszuschreiben, so dass die Patienten erst wieder eingeschrieben werden müssen -> sie sind dann 2 Quartale im KV-System und nicht wenige haben bereits beim 2. Mal keine Lust mehr zur Wiedereinschreibung -> die Beteiligung der Patienten wird dramatisch sinken.
Weiterhin benötigen wir mehr Nachwuchs, und war nicht erst in fünf Jahren - bis dahin ist die flächendeckende hausärztliche Versorgung zusammengebrochen und in den Ballungszentren wird es auf absehbare Zeit keine Drohkulisse geben -> in fünf Jahren haben wir kein Druckmittel mehr in der Hand. Die Fixierung der HzV-Verträge bis 2014 ist nur eine Beruhigungspille, bis wir in einer deutlich schwächeren Position sind!
Daher ist keine der Möglichkeiten wirklich verlockend, aber ich würde versuchen, das Heft in der Hand zu behalten -> Versuch des Ausstiegs

Dennoch einen schönen Sonntag Abend
A. Spiegl
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Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

danspie hat geschrieben: die AOK wird, was sie ja jetzt schon beginnt, die Patienten immer häufiger aus fadenscheinigen Gründen auszuschreiben, so dass die Patienten erst wieder eingeschrieben werden müssen -> sie sind dann 2 Quartale im KV-System und nicht wenige haben bereits beim 2. Mal keine Lust mehr zur Wiedereinschreibung -> die Beteiligung der Patienten wird dramatisch sinken.
A. Spiegl
Ja, stimmt! Die Krankenkassen zeigen bereits Teile ihres wahren Gesichts und entschlüpfen so ganz allmählich dem Schafspelz; einige Kassen haben sich nicht 'mal die Mühe gemacht, sich diesen Schafspelz überzuziehen (BKK,EK). Ein leiser Vorgeschmack von dem, was uns erwartet! Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera.

A. Geigenberger

P.S.: Ergänzen möchte ich noch einen Beitrag von mir im Forum Hausarzt.de:

Das heutige Fax des Hausärzteverbandes

Um es gleich 'mal vorneweg zu sagen: Auch ich bin äußerst verärgert über die nachträglichen Gesetzesänderungen und die Unsicherheiten, die uns das neue Gesundheitsgesetz zumutet. Und ich bin recht fest entschlossen, am 26.11. meine Kassenzulassung zurückzugeben.

Dennoch: Das Fax des bayerischen Hausärzteverbandes vom 8.11. klärt bei weitem nicht über alle Unsicherheiten und Risiken auf; es verniedlicht die Situation, redet ernsthafte Probleme klein und läßt viele Fragen offen. Wenn dann von anderer Seite auch noch Kolleg(inn)en, die ihre berechtigten Sorgen zum Ausdruck bringen, gleich als unbedarfte Hasenfüße und berufspolitische Ignoranten verunglimpft werden, dann werden diese Kollegen in der momentanen Diskussion eben ihren Mund halten. Und das Erstaunen wird wieder groß sein, dass das Abstimmungsergebnis im Januar nicht so ist, wie die Stimmungslage auf den Versammlungen oder in diesem Forum. Es ist recht einfach, in Foren wie diesem die alten Kampfparolen immer und immer wieder im Chor zu wiederholen.

Recht bedenklich ist ja schon die Tatsache, dass diesesmal nur 60% der Kollegen bereits für einen Systemausstieg genügen sollen – und dabei werden dann auch noch Ballungszentren ausgenommen. Ein etwas wackliges Fundament! Dies birgt die Gefahr, dass immer noch genug Kolleg(inn)en, evtl. auch mit Hilfe von Fachärzten und Krankenhäusern für die Krankenkassen zur Verfügung stehen, um dieses System noch einige Zeit aufrecht erhalten zu können. Und in so manchen Gebieten könnte es da dann für einzelne Kolleg(inn)en schon durchaus richtig gefährlich werden: Stellen Sie sich nur einmal die Situation vor, dass in einer Kleinstadt von vorhandenen 12 Allgemeinärzten nur 5 ausstiegswillig sind, oder dass in einem kleineren Marktflecken von 3 Allgemeinärzten nur Einer aussteigt. Die statistische Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist bei einer Gesamtausstiegsquote von nur 60% recht hoch! Was soll die Krankenkassen in einer sicherlich aufgeheizten Situation dann davon abhalten, ganz gezielt, punktuell und örtlich begrenzt überall dort, wo die Versorgung noch klappen könnte, einfach die Kündigung der Aussteiger wörtlich zu nehmen, zu akzeptiern und sie schlicht im Abseits stehen zu lassen. Da nützt es dann überhaupt nichts, wenn die ausgestiegenen Kollegen ihre Leistungen über die HÄVG-Verträge abrechnen wollen – wie uns das heutige Fax des bayerischen Hausärzteverbandes aus meiner Sicht etwas unseriös zu beruhigen versucht [Zitat des Faxes siehe unten]. Diese abgerechneten Leistungen werden von den Krankenkassen schlicht und einfach nicht mehr bezahlt werden mit dem Hinweis, die versicherten Patienten hätten eben die verbleibenden Vertragsärzte aufzusuchen. Auch werden sicherlich alle Patienten von den Krankenkassen über den 'Restbestand' der Kassenärzte genau informiert werden! Glaubt jemand ernsthaft, dass die Patienten zu einem 'Aussteiger' gehen werden, wenn sie fürchten müssen, dass sie auf Ihren Arztrechnungen sitzen bleiben?? Die Patienten wechseln ja jetzt bereits wegen 10 Euro den Hausarzt!

Meine Bitte an den Hausärzteverband: Bitte bleiben Sie ehrlich und verharmlosen und beschwichtigen Sie nichts! Klären Sie bitte auch offen über die Risiken auf! Diese Aktion ist für Aussteiger nach wie vor sehr gefährlich und kann (und wird!) manchen Praxen die Existenz kosten! Diese Gefahren müssen offen und ehrlich diskutiert werden!! 'Hasenfüße' sollten durchaus ermuntert werden, ihre Bedenken zu äußern; erst dies macht die ganze Diskussion ehrlich und glaubwürdig – gerade für Zweifler. Ansonsten bleiben die 'Hasenfüße' ganz einfach stumm und gehen am 26.1. schlicht und einfach nicht zur Abstimmung.


Alfons Geigenberger

Zitat aus dem Fax vom 8.11.2010:
"Welche Bedenken haben Sie?
........
........

"Meine Kollegen am Ort machen nicht mit":

Das ist von der Systematik des Systemumstiegs her unerheblich. Wenn 60% der Kollegen bayernweit das System gewechselt haben, rechnen diese ihre Leistungen über die HÄVG ab. Die Nachbarkollegen, die im KV-System verbleiben, arbeiten auf RLV- und QZV-Niveau weiter. Das heißt deren Leistungsgüte ist deutlich unter der Ihrer Praxis. Das wird vielen Patienten nicht genügen. Und wie im wahren Leben trifft der Wettbewerb diese dann besonders hart. Und: Und wer zu spät kommt... . Selbst unter dem Aspekt von eventuell erforderlichen Praxisschließungen tangiert das nicht Ihre Wettbewerbsfähigkeit. Auch Sie schließen bei Urlaub oder Krankheit Ihre Praxis"

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Völlig neue Aspekte

Beitrag von Geigenberger »

Völlig neue Aspekte

ergeben sich nun für mich, nachdem ich gestern abend eine Informationsveranstaltung des Bayerischen Hausärzteverbandes in Ergolding bei Landshut besucht habe. Redner war auch Herr Dr. Hoppenthaller. Ich kann mich hier ohne Probleme 'outen', da es ganz offensichtlich war, dass sehr viele Kolleg(inn)en wesentliche Punkte des Ausstiegs-Procederes noch nicht verstanden haben. Hier sollte der Bayerische Hausärzteverband noch unbedingt nacharbeiten!!

Nicht verstanden haben viele Kollegen, dass es nach dem Ausstieg für die ausgestiegenen Kolleg(inn)en auch die aktuell gültigen HzV-Verträge nicht mehr gibt, da ja die Voraussetzung für die Gültigkeit dieser Verträge ist, dass man im KV-Systm ist. Nur auf den ersten Blick verschärft sich so das Risiko für die 'Austeiger' sogar. Nur auf den ersten Blick deshalb, weil ja vom Hausärzteverband nach dem Ausstieg ganz neue Verträge geschlossen werden. Und ich bin da ganz beruhigt und gehe sicher davon aus, dass diese Verträge auch tatsächlich geschlossen werden, da ansonsten große Teile der Bevölkerung ärztlich massiv unversorgt wären, was völlig undenkbar ist: Denn zum einen haben dann nicht mehr die KV-en den Sicherstellungsauftrag, sondern laut Gesetz die Kassen – und wie soll diese Sicherstellung mit nur 40% der vielleicht verbleibenden Hausärzte gewährleistet werden? Und zum anderen wird keine politische Partei diese Mangelversorgung der Bevölkerung politisch durchhalten können. Wichtigste Aussage von Herrn Hoppenthaller war der Satz: "Einzelverträge gibt es nicht". Und damit werden die ausgestiegenen Kollegen sehr bald nach dem 26.1.11 einen neuen Gruppen(!)Vertrag mit den Krankenkassen haben, der offenbar bereits in den Schubladen des bayerischen Hausärzteverbandes liegt und der – nach Auskunft von Herrn Hoppenthaller – sehr ähnlich ist mit dem aktuell gültigen HzV-Vertrag mit der AOK. Und damit ist meine Sorge natürlich vom Tisch, dass einige 'Aussteiger', die sich in einer 'Diaspora' mit Nicht-Aussteigern befinden, wirtschaftlich unter die Räder kommen.

Es sieht sogar danach aus, dass das deutlich größere Risiko die 'Nicht-Aussteiger' tragen. Denn zwar laufen die derzeitigen HzV-Verträge mit den Nicht-Aussteigern weiter. Laut Herrn Hoppenthaller haben aber einige Kassen bereits massive 'Ausschreibe-Aktionen' angekündigt und es könnte auch sein, dass nach 2011 die Rechtsgrundlage für diese 'alten' HzV-Verträge fehlt, so dass diese aktuellen Verträge gänzlich ungültig werden. Damit fallen die 'Nicht-Aussteiger' finanziell auf das KV-Niveau zurück und da bleibt dann die Frage, wie viele Praxen mit einer Pauschale von nur ca. 37,- Euro überleben werden können.

Und damit sieht man, dass es gut sein kann, Bedenken und auch Angst durchaus offen zu äußern, da sonst Unklarheiten überhaupt nicht erkannt und aufgeklärt werden. In dem Informationsfax der KV, das ich unten nochmal zitiere, sollte aber vom Bayerischen Hausärzteverband unbedingt nochmal klar gestellt werden, dass mit dem Satz

"Wenn 60% der Kollegen bayernweit das System gewechselt haben, rechnen diese ihre Leistungen über die HÄVG ab."

nicht die bisher bestehenden Verträge, die über die HÄVG abgerechnet werden, gemeint sind, sondern die neuen Verträge.

Auch dieser Satz

"Das heißt deren Leistungsgüte ist deutlich unter der Ihrer Praxis."

ist etwas unklar, denn zunächst mal hat ja die Leistungsgüte noch nicht direkt etwas mit der Bezahlung zu tun.

Und diesen Satz

"Selbst unter dem Aspekt von eventuell erforderlichen Praxisschließungen tangiert das nicht Ihre Wettbewerbsfähigkeit. Auch Sie schließen bei Urlaub oder Krankheit Ihre Praxis."

habe ich ehrlich gesagt auch jetzt nach der Info-Veranstaltung mit Herrn Hoppenthaller immer noch nicht verstanden.


Gestärkt mit diesen Erkenntnissen bin ich nun sehr zuversichtlich, dass ab dem nächsten Jahr ein neues Kapitel bei der hausärztlichen Versorgung in Bayern aufgeschlagen wird, dass Hausarztpraxen in Bayern wieder eine Zukunft haben und dass junge Koleg(inn)en es wieder wagen werden, den Beruf des Hausarztes zu ergreifen.


Viele Grüße


Alfons Geigenberger
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Lazarus
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Lazarus »

Die Idee mit einem Ausstieg ist natürlich interessant. Leider für mich nicht praktikabel, da bestimmte Leitungen bei mir nur dann von der Beihilfe erstattet werden, wenn eine KV-Zulassung vorliegt (Psychotherapie).
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Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Schade!
Aber da sollten Sie nochmal nachfragen: Ich kann mir nicht vorstellen, dass psychotherapeutische Leistungen nur vom 'KV-System' erbracht werden können. Denn ein großer Bedarf ist zweifellos da. Was ist dann, wenn es das hausärztliche KV-System in Bayern nicht mehr gibt?

A. Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Lazarus »

Ich denke, dass es diese Verknüpfung KV-Zulassung=Beihilfefähig noch für andere Leistungen gibt. Selbstverständlich besteht die theoretische Möglichkeit, dass der Verband mit der Beihilfestelle eine ensprechende Vereinbarung trifft, doch bis dahin geht man seitens der Beihilfe leer aus.
danspie
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von danspie »

Ich würde an Ihrer Stelle Kontakt mit dem BHAEV aufnehmen und mit denen besprechen, was möglich ist!
Viele Grüße
A. Spiegl
drroeb
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von drroeb »

Ich halte es für sehr ungeschickt, ohne vorherige interne Befragung der Kollegen öffentlich über den Systemausstieg zu diskutieren. Leider gibt es Gegenden mit einer absoluten Überversorgung von Hausärzten, weiterhin gibt es Gebiete in denen 80% der Hausärzte in Praxisnetzen organisiert sind,
welche Kassenverträge ohne Beteiligung des Hausarztverbands abgeschlossen haben. Dort bedeutet
Systemausstieg für mich als Einzelkämpfer den wirtschaftlichen Bankrott , da die Patienten sofort abwandern, wenn ich für kurze Zeit keine Kassenzulassung haben sollte. Wie soll der Systemausstieg möglich sein,wenn nicht einmal 2 Tage Streik möglich waren (gerade die Etablierten hielten ihre Praxis offen)?
Machen wir uns nicht vor, in den Ballungsräumen sind wir ersetzbar. Unter der Woche gehen die Leute zum Facharzt , am Wochenende in die Klinikambulanzen (die werden gerne unsere Zulassungen übernehmen).
Unsere Funktionäre haben gut reden, die haben als Zubrot sicher Anteil an den 3% Abrechnungsgebühr,
die wir zahlen. Auch von den Patienten können wir nach meiner Erfahrung keine Solidarität erwarten, die
gehen dahin wo es nichts kostet (das AOK Hausarztmodell funktioniert wegen der 10 Euro Ersparnis).
Bei den anderen Kassen gibts Probleme, da ja keine 10 Euro gespart werden.
Anstatt ohne genaue Stimmungsanalyse grosspurig den Systemausstieg anzukündigen wären erstmal
flächendeckende Streiks sinnvoll, dann werden wir auch sehen ob Hausärzte in den Ballungsgebieten
vermisst werden (ich meine nicht), ausserdem könnte man die Solitäritat der Kollegen testen.
Besser wäre es durch geschickte Verhandlung mit den Kassen durch Nachweis der Kostenersparnis durch Hausarztverträge ein entsprechendes Honorar zu erzielen.
Die jetzigen Vertäge vermitteln aber eher das Gegenteil, mehr Geld ohne mehr Leistung. Das wird nicht funktionieren.
Beispiel: Meine 3 Notfallbesuche an den Wochenenden im Quartal 2/2010 (ja ich bin oft am Wochenende erreichbar) wurden mir komplett gestrichen ( Keine Besuche an KVB Notdienstzeiten hatte ich im Vertrag überlesen). Jetzt habe ich zwar den Kassen Kosten gespart (da ich die übliche Krankenhauseinweisung durch den KVB (Fach)Arzt
vermieten habe), allerdings trotz Mehrarbeit Honorarverlust, da ich die poststationäre Pauschale nicht abrechnen kann.Auf meinen Widerspruch gegen den Honorarbescheid und die Bitte stattdessen die Unzeitpauschale anzusetzen habe ich bis heute keine Antwort.
Roland Eberhart
danspie
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von danspie »

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drroeb hat geschrieben;
Besser wäre es durch geschickte Verhandlung mit den Kassen durch Nachweis der Kostenersparnis durch Hausarztverträge ein entsprechendes Honorar zu erzielen.
Ich verstehe Sie nicht: haben Sie von anderen Fachgruppen gehört, dass sie erst nachwesen wollen, dass sie Geld einsparen um dann vernünftig bezahlt zu werden? Sie schaufeln sich mit solchen Argumenten selbst das Grab: wenn derartige Verträge kämen, würden sofort alle auf die Hausärzte einschlagen: sie sparen Geld am Patienten (z.B. bei den Fachärzten) um selbst mehr Geld zu bekommen! Nein wir Hausärzte wollen für unsere Leistungen adäquat bezahlt werden. Dies ist derzeiz nicht der Fall, was man u.a. daran erkennt, dass der Nachwuchs ausbleibt!

Auch Ihre sonstigen Argumente kann ich nicht ganz nachvollziehen: auch ich fahre viele Hausbesuche am Wochenende und rechne nur die IN dafür ab. Allerdings zeigt auch der dringende Hausbesuch, dass die gut bezahlte Einzelleistungsvergütung einfach tot ist - es beginnt sofort das Hamsterrad. Man muss doch sehen, was hinten heraus kommt, und das ist beim AOK (bislang) sehr gut, auch wenn, wie bei Ihnen drei "DB" nicht bezahlt wurden!

Und nun zum Ausstieg: derzeit haben Sie einfach nur die Option auszusteigen oder ins KV-System zurück zu kehren. Wir Hausärzte kapieren einfach nicht, dass wir in einem Boot sitzen und bereits Pläne geschmiedet werden, wie man uns Hausärzte durch MVZ und AGNES ersetzen können! Und wir diskutieren noch darüber, dass der Nachbar ein paar Patienten weg nimmt, da man streikt! Nochmals ganz einfach: entweder wir steigen in der Mehrzahl aus (dann ist die Minderheit die nicht ausgestiegen ist, gefährdet) oder wir gehen ins KV-System zurück und lassen und von RLV etc langsam aushungern .......

Oder haben Sie ein anderes Szenario zu bieten?

Dennoch viele Grüße
A. Spiegl
MadRatz
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von MadRatz »

Ich finde dei Diskussion um einen Systemausstieg sehr spannend - Leider konnte mir aber noch keiner in meiner Situation den richtigen Rat geben.
Ich bin gerade dabei eine neue Landarzt-Praxis zu eröffnen (03.01.2010). Und wie soll ich am 26.1. meine Zulassung schon wieder zurückgeben? Es gibt noch keine KV-Zahlungen, die fließen, es gibt auch noch keine Zahlungen aus den HzV-Verträgen. Aber es gibt ganz viele Zahlungen, die zu leisten sind.
Ich finde es ärgerlich, als "Hasenfuß" bezeichnet zu werden! Der BHÄV sagt, es gehe ihm um die Erhaltung der Hausärzte und Neugründungen seien dringend erforderlich - und dann wird man im Regen stehen gelassen...


M. Bauer
danspie
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von danspie »

Hallo Herr Bauer,
ich kann Ihnen nur raten sich entweder an den BHAEV zu wenden oder in den jetzt stattfindenden Dikussionen an Ihren Bezirksvorsitzenden oder direkt an Hoppenthaller zu wenden und diese Problematik zu diskutieren. Dass die Ausstiegsdiskussion für Sie zum falschen Moment kommt, ist wohl allen klar, aber man muss leider einen Termin festlegen .....
Viele Grüße
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Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Hallo,

die Sorgen und Bedenken von Herrn Bauer und Herrn Eberhart sind aus meiner Sicht absolut berechtigt. Mir geht es sehr ähnlich und ich werde definitiv nur dann 'aussteigen' wenn ich sicher sein kann, dass ich in meiner geografischen Nähe als 'Aussteiger' nicht in einer Minderheit bin. Der Einsatz bei diesem Pokerspiel ist mir ansonsten bei der riesigen Dimension dieses Schrittes ganz einfach zu hoch.

Meine Vorgehensweise steht jetzt fest. In unserer Gegend gibt es einen 'Hauarztkreis' in dem fast alle Allgemeinärzte unseres Gebietes Mitglieder sind. Am 11.11. war nun eine Versammlung dieses Hausarztkreises, in der zusammen mit unserem Bezirksvorsitzendem in Niederbayern, Gerald Quitterer, dieses Thema diskutiert worden ist. Folgende Zeilen habe ich als Fax bzw. e-mail an meine benachbarten Kollegen geschickt:

<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<<

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Diskussion beim Treffen unseres Hausarztkreises am Abend des 11.11.10 in Mamming zusammen mit Herrn Quitterer hat sehr deutlich gezeigt, dass neben einem in diesem frühen Stadium natürlicherweise noch vorhandenen Informationsdefizit auch eine erhebliche allgemeine Skepsis im Hinblick auf den geplanten Systemausstieg im Januar herrscht, diesen bedeutenden Schritt mitzugehen. In der Diskussion wurde es sehr deutlich, dass das endgültige und unwiderrufliche Verlassen des KV-Systems für jeden Aussteiger ein nicht wegzudiskutierendes Risiko birgt. In der Tat wird sich jeder die Frage stellen, ob "der Spatz in der Hand nicht doch besser ist, als die Taube auf dem Dach", so ein zentrales Zitat aus der Diskussion an diesem Abend.

Die Tatsache, dass mit nur 60% Aussteigern bereits das Quorum erreicht wird, diesen unbekannten Weg zu gehen, läßt die gesamte Aktion des Hausärzteverbandes ein wenig auf tönernen Füßen erscheinen und zeigt den unbedingten Wunsch der Führung des Hausärzteverbandes, diesen Systemausstieg nochmal "auf Biegen und Brechen" zu versuchen. Insbesondere die Frage, wie es mit der Zukunft der Ärzte aussieht, die in einer 'Diaspora' von nicht ausgestiegenen Kollegen umgeben sind, konnte nur mit nach meinem Geschmack etwas allzu wagen 'Vermutungen' beantwortet werden. Stellen wir uns nur einmal die Situation vor, dass im Bereich Dingolfing-Landau von vorhandenen 50 Allgemeinärzten nur 25 tatsächlich aussteigen. Die statistische Wahrscheinlichkeit für ein solches Szenario ist bei einer geforderten Gesamtausstiegsquote von nur 60% für viele Regionen recht hoch! Was könnte dann passieren? Unsere KV-Verträge sind unwirksam und mit ihnen gleichzeitig unsere aktuellen HzV-Verträge, da diese ja die Mitgliedschaft in der KV voraussetzen. Die Krankenkassen können ihre Mitglieder informieren, welche Einrichtungen noch einen Vertrag mit den Kassen haben und die Patienten auffordern, nur noch diese Ärzte aufzusuchen. Zwar existiert der vom Hausarztverband erzwungene neue Vertrag – aber die Patienten müssen sich neu einschreiben, denn ein 'Doktor-Hopping' auf der Basis der (vielleicht) ausgehandelten Verträge und einem Honorar von fast 80,- Euro wird sich realistischerweise ja keine Kasse leisten können. Und wenn ein Patient das Risiko sieht, dass er auf seiner Arztrechnung sitzen bleibt, wird er eine von den Kassen vorgeschlagene Einrichtung benutzen. Es gibt – wir wissen das alle – Patienten, die wechseln schon wegen 10,- Euro den Hausarzt. Und wenn 50% unserer Kollegen im System bleiben, kann die Versorgung zusammen mit den Fachärzten, den Krankenhäusern und Iprogema durchaus bewerkstelligt werden. Es braucht dann nur noch ein paar nette 'Heimkehrerangebote', natürlich nur für Kollegen, die in Gebieten mit Versorgungsengpässen arbeiten, geben und schon läuft der Laden wieder. Außerdem: Ich bezweifle sehr, dass sich Krankenkassen an einen lächerlichen Vertrag halten, wenn sie als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht einmal Bundesgesetze einhalten!!

Beiträge, die die Bedenken der Schweigsamen widerspiegeln, einfach unqualifiziert niederzumachen und diese Kolleg(inn)en als Feiglinge und Personen zu verspotten, die dieser an sich guten Sache "in den Rücken fallen", sind extrem kontraproduktiv. Diese Kolleg(inn)en sagen dann eben ihre Meinung schlicht und einfach nicht mehr --- und gehen nicht zur Abstimmung! Man braucht in dieser Situation für eine umfangreiche Diskussion, die alle Aspekte beleuchtet auch einen "advocatus diaboli", der die Finger da drauf drückt, wo`s weh tut. Die zunächst weniger Mutigen sind es, auf die es letztlich ankommt und man tut immer besser daran, auf sie zu hören, als sie nur abzutun oder gar zu beschimpfen.

Wenn wir aber zusammenhalten und sich jeder auf den anderen verlassen kann, dann könnte es gut sein, dass das deutlich größere Risiko die 'Nicht-Aussteiger' tragen. Denn zwar laufen die derzeitigen HzV-Verträge mit den Nicht-Aussteigern weiter. Laut Herrn Hoppenthaller haben aber einige Kassen bereits massive 'Ausschreibe-Aktionen' angekündigt und es könnte laut Herrn Hoppenthaller in Ergolding letzte Woche auch sehr gut sein, dass nach 2011 die Rechtsgrundlage für diese 'alten' HzV-Verträge fehlt, so dass diese aktuellen Verträge gänzlich ungültig werden. Damit fallen die 'Nicht-Aussteiger' finanziell auf das KV-Niveau zurück und da bleibt dann die Frage, wie viele Praxen mit einer Pauschale von nur ca. 37,- Euro dann noch überleben können. Man könnte es aber auch anders ausdrücken: Die Nicht-Aussteiger haben praktisch kein Risiko. Sie haben die sichere Gewißheit, daß ihre Einnahmen so weit heruntergehen werden, bis sie an ein MVZ verkaufen.

Es ist unzumutbar und entwürdigend, wie mit uns in der Vergangenheit umgegangen worden ist: Gesetze wurden von den Krankenkassen einfach ignoriert und bestehende Gesetze(!) einfach mit wenigen Federstrichen für nichtig erklärt! Der Lohn unserer Arbeit wurde je nach Kassenlage oder politischen Verhältnissen in den KV-en ausgehandelt. Wie eine geduldige Schafherde haben wir all das nur mit einem leisen Blöken bisher hingenommen. Wenn am 26. Januar 2011 das Quorum nicht erreicht wird, ist die letzte Chance zum Systemwechsel vertan. Alternative: KEINE, außer weiter unter der KV mit politisch vorgegebenen, je nach Kassenlage höheren oder niedrigeren Honoraren (Ziel: Beitragssatzstabilität!) zu arbeiten,

Trotzdem, wie ich beim Treffen unseres Hausarztkreises am Abend des 11.11.10 schon anmerkte: Hier geht es nicht darum, bei einer Fehlentscheidung 'mal 100.000,- oder 200.000,- Euro zu verlieren. Die Dimensionen sind ganz andere(!!!): Hier geht es um nichts weniger als um die berufliche Existenz!

Deshalb werden Herr M. [Mein Praxispartner] und ich folgendermaßen handeln: Wir hoffen inständig, dass der Systemwechsel gelingt, aber wir werde unseren Ausstieg nur erklären, wenn in unserer Dienstgruppe (Oberhausen-Reisbach-Marklkofen-Frontenhausen-Aham-Gerzen) ALLE Kolleg(inn)en beim Ausstieg mitmachen. Und wir werden unsere Erklärung in Nürnberg nur abgeben, wenn im Raum Dingolfing-Landau mindestens 80% verbindlich den Ausstieg erklären. Denn dann ist das Risiko für jeden Einzelnen erheblich minimiert. Alles andere ist uns ganz einfach viel zu riskant!! Mit dieser Vorgabe können dann auch Kolleg(inn)en, die sich – wohlgemerkt aus mir absolut verständlichen Gründen!! - nicht trauen, viel beruhigter ebenfalls den Ausstieg mittragen.

Wie könnte diese Sicherheit nun hergestellt werden? Frau G.H. [im Vorstand unseres Hausarztkreises] möchte ja Anfang Dezember zu diesem Thema nochmals eine Vollversammlung unseres Hausarztkreises einberufen. Mein Vorschlag(!) zum Procedere: Am Tag dieser Vollversammlung liegt eine Liste mit den Namen aller Mitglieder unseres Hausarztkreises aus, in die sich dann die Kolleg(inn)en eintragen, die ihren Ausstiegswillen offen und verbindlich dokumentieren. Die unterschreibenden Kolleg(inn)en übergeben dann innerhalb einer Woche ihre Ausstiegserklärung gegen eine 'Quittung' einer Vertrauensperson(engruppe) unseres Hausarztkreises. Während der Zeit bis zur Abstimmung in Nürnberg kann jeder seine Austrittserklärung natürlich wieder aus diesem lokalen "Korb" nehmen. Die Anzahl der in diesem Korb sich befindenden Austrittserklärungen werden dann bis zum Abstimmungstag kontinuierlich in einer täglichen Meldung per e-mail bekannt gegeben. Und nur unter unseren oben genannten Bedingungen (80% unserer Hausarztkreis-Mitglieder und 100% unserer Dienstgruppe im Vilstal "im Korb"), werden auch Herr M. und ich unsere Ausstiegserklärung in diesem Korb lassen und in Nürnberg von dieser Vertrauensgruppe in unserem Beisein abgeben (lassen). Wenn die Anzahl der ausstiegsbereiten Kollegen aber bis zum 10.1.2011 wieder unter 80% sinken oder unser lokales Quorum nicht erreicht werden sollte, werden wir unsere abgegebenen Austrittserklärungen definitiv wieder aus dem Korb nehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte bedenken Sie: Wenn am 26. Januar 2011 das Quorum in Nürnberg nicht erreicht wird, ist die letzte Chance zum Systemwechsel auf Jahre vertan. Das hier vorgeschlagene Procedere gibt jedem von uns eine enorme zusätzliche Sicherheit, die allerdings bei der Tragweite dieser Entscheidung auch unbedingt nötig ist. Wenn der Ausstieg jetzt nicht gelingt, bleiben wir in den Augen der Politiker und der Krankenkassen weiterhin ein Spielball ihrer Interessen. Nachfolger für unsere Praxen werden wir nicht mehr finden. Beschweren darf sich dann zukünftig aber auch niemand mehr.

Wir sollten mutig sein und GEMEINSAM handeln.

Viele Grüße



Dr. med. Alfons Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Systemausstieg Januar 2011 - Zahlen

Hallo,

da hätte ich noch eine Frage:

Es sollen ja 3813 Stimmen für den Ausstieg reichen. Wenn dies 60% sind, dann sind 100% 6355 Ärztinnen und Ärzte.

Dann schauen Sie mal bitte da: http://www.kvb.de/ und geben Sie bitte in der Arztsuche 'Hausarzt' ein: Sie werden 10882 Ärzte finden. Das sind alle hausärztlich tätigen Ärzte, unter anderem 6457 Allgemeinärzte, 1492 prakt. Ärzte und der Rest hausärztlich tätige Internisten und sonstige als "Ärzte" bezeichnete Kollegen.
http://www.kvb.de/de/praxis/service-ber ... chnis.html
Herausgerechnet wurden also die Ärztinnen und Ärzte in den Ballungszentren und außerden dann auch noch, nach welchem Rechenmodus auch immer, alle Kolleginnen und Kollegen, die eine Schwerpunkttätigkeit ausüben (z.B. Allergologie, Diabetes, Phlebologie, Akupunktur, Naturheilkunde, Pädiatrie). Dadurch kommt man dann auf die oben genannten 6355 Ärzte.

Das in Nürnberg geforderte Quorum ist 3813 Ärzte. Wenn mein Taschenrechner richtig rechnet ist das aber eine Quote von 35,04% !!!!! -> Da fällt dann aber der Versorgungsauftrag nach meinem Kenntnisstand doch nicht an die Kassen zurück???!!!

Liebend gerne hätte ich diese Informationen von der Homepage des bayerischen Hausärzteverbandes. Leider sind die dort dargebotenen Informationen recht mager – Deshalb frage ich hier: Wo soll ich denn auch sonst meine drängenden Fragen beantwortet bekommen.

Und so hätte ich da auch noch drei Vorschläge und Bitten:

1. Die Informationen auf der Homepage des bayerischen Hausärzteverbandes müssen besser werden. So findet sich auch heute noch nur eine kurze Pressemitteilung zur KV-Wahl in Bayern. Auch eine Stellungnahme zum geplanten VPN-Tunnel zu den Krankenkassen hätte ich gerne.

2. Schön wäre natürlich ein Forum, in dem nur Mitglieder des Hausärzteverbandes und nur mit Nennung des Namens, um Unsachlichkeiten zu vermeiden, Fragen und Gedanken austauschen können.

3. Und wenn ein Forum nicht geht, dann wenigstens eine FAQ (frequently asked questions), so dass sich jeder Arzt/Ärztin über aktuelle und drängende Fragen informieren kann.

Viele Grüße und noch einen schönen Sonntag!

A. Geigenberger

P.S.: Ich weiß, derartige Fragen sind unangenehm, aber ich hoffe, es ist heute nicht mehr so wie im Altertum, wo man die Boten schlechter Nachrichten gleich getötet hat. Ich möchte nochmal zitieren:
"Beiträge, die die Bedenken der Schweigsamen widerspiegeln, einfach unqualifiziert niederzumachen und diese Kolleg(inn)en als Feiglinge und Personen zu verspotten, die dieser an sich guten Sache "in den Rücken fallen", sind extrem kontraproduktiv. Diese Kolleg(inn)en sagen dann eben ihre Meinung schlicht und einfach nicht mehr --- und gehen nicht zur Abstimmung! Man braucht in dieser Situation für eine umfangreiche Diskussion, die alle Aspekte beleuchtet auch einen "advocatus diaboli", der die Finger da drauf drückt, wo`s weh tut. Die zunächst weniger Mutigen sind es, auf die es letztlich ankommt und man tut immer besser daran, auf sie zu hören, als sie nur abzutun oder gar zu beschimpfen."


gepostet auch da: http://www.hippokranet.com/de/forums/th ... 856/522437
Johnny
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Johnny »

@Herr Geigenberger,

habe eigentlich mit diesem Thema zur Zeit nicht zu tun (bin weit im Norden).

Bei kurzer Prüfung der Ergebnisse, die man auf der KVB website erhält, fällt auf, daß hierbei wohl Zweigpraxen unter dem selben Arzt doppelt mitgezählt werden. Darüber hinaus werden auch angestellte Ärzte z.T. doppelt gezählt.

Mit bestem Gruß und viel Erfolg
aus Kiel

Johnny
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Roland_Colberg »

Was die Anzahl der Hausärzte angeht, finden Sie unter http://www.kvb.de/fileadmin/data/dokume ... k1_208.pdf
für 2/2008:
  • 7318 Allgemeinärzte und
    1716 hausärztliche Internisten,
also zusammen 9034 Hausärzte ohne Kinderärzte. Vielleicht zählt der Hausarztverband ja nur seine Mitglieder?

Woher haben Sie denn eigentlich die Zahl 3813?
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Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Im Artikel der Ärztzeitung vom 25.11.2010 werden konkrete Zahlen genannt, bei denen man nur nach diversen Abzügen auf 60% kommt.
Laut diesem Artikel reichen 3813 Kolleginnen und Kollegen zum Ausstieg

A. Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Roland_Colberg »

Folgende Anfrage habe ich heute an den Hausarztverband gemailt:
Mit Interesse habe ich Ihre FAQ-Sammlung vom 1.12. gelesen. Aus Ihren Antworten auf die Fragen 2 und 25 entnehme ich, dass Ihre Strategie auch wesentlich darauf baut, dass die ausgeschiedenen Hausärzte für 6 Jahre für das KV-System gesperrt sind. Daher hätten die Kassen keine Alternative neben den von Ihnen angebotenen Verträgen.

Zitat: "Die Rückgabe der Vertragsarztzulassung ist ein unwiderruflicher Akt. Wenn wir diesen Zustand hergestellt haben, macht es eigentlich weder für die Kassen noch für die Politiker Sinn, öffentlich gegen uns Position zu beziehen."
"Da der vollzogene Systemumstieg unumkehrbar ist, werden die Kassen weder mit Drohungen noch mit sonstigen Druckmitteln an der Situation etwas ändern können. Öffentliche Hetze gegen die Hausärzte ist unwirksam, da die Rechtslage keine Umkehr erlaubt."

Diese Strategie übersieht aber, dass die Rechtslage leicht geändert werden könnte. Herr Rösler hat doch sicher schon eine Amnestieregelung in der Schublade, die den ausgeschiedenen Hausärzten großzügig (vielleicht gegen gewisse Auflagen...) ausnahmsweise die sofortige Rückkehr in das KV-System gewährt. Ein solches Gesetz würde angesichts der drohenden Versorgungsprobleme sicher schnell durchgewunken. Und dann wird sich zeigen, wer den längeren Atem hat...

Mit freundlichen Grüßen
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Geigenberger »

Hallo Herr Colberg,

das ist ja das Problem:
Das Szenario ist mit so vielen Spekulationen angefüllt und enthält so viele 'Wenn' und 'Aber' und Konjunktive, dass das Risiko für jeden einzelnen Arzt bei der Dimension dieser Entscheidung schlicht unkalkulierbar wird.

A. Geigenberger
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Re: Zum Thema Systemausstieg in Bayern (Januar 2011)

Beitrag von Roland_Colberg »

Sehr geehrter Herr Geigenberger,

nachdem sich die Situation in den letzten Tagen ja deutlich verschärft hat, möchte ich hier doch einmal meine Meinung zum Thema "Systemumstieg" darlegen. Dies tue ich bewusst in gerade diesem Forum und nicht z.B. auf Facharzt.de, wo man, wie Sie oben richtig bemerken, mit einer abweichenden Meinung nur als Ignorant verunglimpft zu werden droht.

Vorausschicken möchte ich, dass ich seit 12 Jahren als hausärztlicher Internist in einer Ballungsraum-Randlage (20 km von München entfernt) niedergelassen bin. Nachdem die ersten Jahre wirtschaftlich eher unter meinen Erwartungen blieben, geht es nun nach umfangreichen Änderungen (Kooperation, Standort) seit mehreren Jahren kontinuierlich aufwärts. Dies beweist meinem Kollegen und mir, dass man mit entsprechendem Einsatz trotz schwieriger Rahmenbedingungen (Honorarentwicklung, Überversorgung, Konkurrenz durch großes MVZ) erfolgreich sein kann.

Aufgrund des gesagten ist Ihnen vermutlich schon klar, dass wir zu keiner Minute erwogen haben, unsere wirtschaftliche Existenzgrundlage durch eine Zulassungsrückgabe aufs Spiel zu setzen. Das ist keine "Hasenfüßigkeit", sondern eine reine Vernunftentscheidung. Wir sind wie viele andere Kollegen auch mit unserer Situation sehr zufrieden, und alle diese Kollegen werden so denken und entscheiden wie wir.

Ich möchte aber auch ein paar politische Gründe anführen, die gegen das Vorgehen des BHAEV sprechen:

1. Das SGB V ist, so unbeliebt es bei den Leistungserbringern sein mag, die Grundlage unserer solidarischen Krankenversicherung. Ich kann mir nicht vorstellen, wie man hier Verträge nach BGB zwischen Kassen und Leistungserbringern unterbringen soll, ohne die Finanzierung der GKV grundsätzlich zu gefährden. Kurzum glaube ich, solche Verträge wären der Anfang vom Ende des SGB V und damit unserer solidarischen Krankenversicherung insgesamt.

2. Es hat mich schon erstaunt, mit welcher Beiläufigkeit der BHAEV auf die fristlose Kündigung der AOK-HzV reagiert hat. Immerhin dürften die meisten Hausarztpraxen dadurch einige tausend Euro Umsatzeinbußen im Jahr haben. Das passt doch überhaupt nicht zu dem Aufwand, mit dem die VV in Nürnberg um einen Monat vorgezogen wurde nur aufgrund der Drohung mit einer solchen Kündigung.
In meinen Augen bringt dieses Verhalten zum Ausdruck: entweder wir "schaffen" es am 22.12. - oder nach uns die Sintflut. Verantwortungsbewusst ist das für mich nicht.

3. Wenn wirklich nicht höhere Honorare, sondern mehr Planungssicherheit das Ziel der Aktion sein soll: wie soll denn die zustande kommen? Jeder Vertrag ist kündbar, wie in diesen Tagen zu sehen ist. Dass die älteren Kollegen ihre Praxen nicht mehr wie früher verkaufen können, liegt neben deren Preisvorstellungen vielleicht auch an einem zurückgehenden Interesse an der hausärztlichen Medizin: Angebot und Nachfrage regeln nun mal den Preis. Das gilt übrigens auch für die vielbeschworene wohnortnahe hausärztliche Versorgung insgesamt. Wenn sich immer weniger junge Kolleginnen und Kollegen für diese Tätigkeit begeistern lassen, dann liegt das doch nicht an ein paar tausend Euro mehr oder weniger im Jahr. Sondern vielleicht daran, dass die klassische Hausarztfunktion als Universalist durch die rasante Entwicklung in der Medizin immer mehr zu einer Lotsen- und Gatekeeperrolle reduziert wird. Wenn vor 30 Jahren noch 2/3 der Niedergelassenen Hausärzte waren und heute nicht mal mehr die Hälfte, dann zeigt das doch die zunehmende Diversifizierung der ambulanten Medizin deutlich auf. Viele junge Kollegen werden sich sagen: ich lasse mich lieber als Facharzt nieder, da überschaue ich zwar nur einen Teilbereich der Medizin, den aber dafür richtig.
Meine Konsequenz aus dieser Einschätzung ist, neue Wege für die enge Kooperation mit Fachärzten zu suchen, ggf. Netzstrukturen zu errichten und den Hausarzt aus seiner Einzelkämpfersituation zu bringen. Dagegen scheint mir das Ziel des BHAEV eher die Zementierung der althergebrachten Strukturen zu sein, daher fühle ich mich von ihm auch nicht vertreten.

Viele Grüße

Roland Colberg
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